Heidelberg, den 15.02.2017

Anfrage Nr.: 0010/2017/FZ
Anfrage von: Stadtrat Niebel
Anfragedatum: 31.01.2017


Altersbestimmung unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA)

Schriftliche Frage:

Wie der „SPIEGEL“ in seiner Ausgabe vom 30.12.2016 berichtet, notierten die Behörden 2015 für viele Flüchtlinge, die ohne Papiere ankamen, bei der Einreise der Einfachheit halber den 1.1.1999 als Geburtstag. Laut Berichten der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung haben „viele junge Erwachsene bei der Einreise gelogen, um bessere Sozialleistungen zu ergattern.“ Die Autoren dieses FAS-Artikels schreiben weiter, dass „genauere Altersüberprüfungen (zwar) aufwendig und juristisch heikel, aber (gleichwohl) nötig (sind)“.

In diesem Zusammenhang frage ich:

1. Sind der Stadt Heidelberg die oben genannten Tatsachen bekannt?

2. Wurden die Altersangaben der in Heidelberg ansässigen irregulären jugendlichen Einwanderer bisher auf deren sachliche Richtigkeit überprüft?

3. Bei wie vielen Menschen dieser Gruppe besteht der Verdacht, dass die Altersangaben nicht mit dem tatsächlichen Lebensalter übereinstimmen?

4. Welche Möglichkeiten der objektiven Altersbestimmung, z.B. der Überprüfung via Handwurzeluntersuchung sind den zuständigen Ämtern und im Staatlichen Gesundheitsamt bekannt?

5. Welcher finanzielle Aufwand ist damit verbunden?

6. Welche rechtlichen Probleme stehen der Überprüfung gegebenenfalls entgegen?

 

Antwort:

Die Annahme, dass „viele junge Erwachsene bei der Einreise gelogen haben, um bessere Sozialleistungen zu ergattern“ kann aus der Heidelberger Erfahrung nicht bestätigt werden.

Ist zweifelhaft, ob eine unbegleitete ausländische Person voll- oder minderjährig ist, muss sie zunächst vorläufig in Obhut genommen werden. Die Alterseinschätzung erfolgt im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass die unbegleitete ausländische Person volljährig ist, wird die vorläufige Inobhutnahme beendet. Ergibt die Alterseinschätzung, dass die unbegleitete ausländische Person minderjährig ist oder können Zweifel an der Volljährigkeit nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeräumt werden, gilt die Person als unbegleiteter minderjähriger Ausländer.

Die Minderjährigkeit beziehungsweise das Alter der UMA ist mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen und festzustellen (Einsichtnahme in Ausweispapiere oder andere Dokumente erfolgt, sofern vorhanden).

Die Alterseinschätzung wird entsprechend der gesetzlichen Regelung von den spezialisierten Fachkräften des Sozialen Dienstes im Kinder- und Jugendamt vorgenommen.

Die Prüfung erfolgt gemäß der „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter“ (2014) – an denen sich das städtische Kinder- und Jugendamt orientiert – nach dem „Vier-Augen-Prinzip“ in einem persönlichen Gespräch mit dem/ der Minderjährigen durch zwei sozialpädagogische Fachkräfte des Jugendamtes. Grundsätzlich ist immer auch ein Dolmetscher beteiligt.

In Zweifelsfällen kann das Jugendamt entweder auf Antrag des Betroffenen oder seines Vertreters oder von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung veranlassen. Dieses findet aber in der Praxis quasi nicht statt, da Einigkeit dahingehend besteht, dass die ärztlichen Untersuchungsmethoden sehr invalide sind (z.B. 3-jährige Spannbreite bei einer Handwurzeluntersuchung) und vor allem die Landesärztekammer Baden-Württemberg (wird auch von der Bundesärztekammer so bestätigt) am 25. Juli 2015 folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Landesärztekammer Baden-Württemberg stellt fest, dass zur Altersbestimmung von unbegleiteten jugendlichen Asylbewerbern medizinische Methoden wie radiologische Untersuchungen der Handwurzelknochen, des Schlüsselbein-Brustbein-Gelenks oder des Zahnstatus sowie die Inaugenscheinnahme des Genitalbereichs als ungeeignet erachtet werden. Dafür gibt es keine medizinische Indikation.“

Die angesprochene Festsetzung des Geburtsdatums „bei vielen Flüchtlingen“ auf den 01.01.1999 – sofern keine Papiere vorhanden sind und die Altersfeststellung im Rahmen der Inaugenscheinnahme erfolgt ist – ist in Heidelberg nur in 8 Fällen erfolgt.

 

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